Der weltweit erste Alevitische Religionsunterricht (ARU) wurde 2002/03 in Berlin erteilt. Die Konzeption und die damit verbundene Weiterbildung alevitischer Religionslehrer: innen erfolgte durch die Initiative der alevitischen Cem-Häuser auf lokaler und landesverbandlicher Ebene. Eine weitere Einführung des ARU erfolgte 2013 an den Schulen in Österreich. In der Schweiz ist das Alevitentum zwar kantonal (z.B. in Basel) als Religion anerkannt, aber der ARU wird noch nicht offiziell an Schulen erteilt. Vielmehr ist der Alevitische Religionsunterricht teilweise in die lokalen Angebote eingebunden.

Mit dem Ziel, nicht nur Grundkenntnisse des alevitischen Glaubens in deutscher Sprache zu vermitteln und identitätsstiftend zu wirken, sondern auch das gute Zusammenleben von Alevit: innen und Andersgläubigen in Gleichberechtigung, Frieden und gegenseitiger Achtung zu fördern, birgt der ARU ein friedensförderndes und integratives Potential auf gesellschaftlicher Ebene. Somit kommt dem ARU ein Bildungs- und Integrationsauftrag zu, der im jeweiligen Länderkontext zu entfalten ist. Vor dem Hintergrund, dass der ARU keine Vorläufermodelle im Herkunftskontext Türkei kennt und eine Errungenschaft in der Migration darstellt, ergeben sich daraus auch Herausforderungen auf struktureller, finanzieller, personeller und inhaltlicher Ebene. Welche Erfahrungen und Erwartungen diesbezüglich die beteiligten Akteur: innen in den jeweiligen Länderkontexten machen, soll in diesem komparativen Forschungsprojekt untersucht werden, das den ersten Untersuchungsschritt darstellt. In einem zweiten anschließenden Schritt wird der Versuch unternommen, den beteiligten Personen auf der Basis der Forschungsergebnisse eine Arbeitsplattform (Cloud / SharePoint) anzubieten. Auf dieser sollen verschiedene Grundlagen zu den Methoden, Möglichkeiten und Entwicklungen beim Lernen und Lehren religiösen Wissens aus alevitischer Perspektive in einem digitalen Umfeld ausgetauscht werden.

  

Hierfür widmet sich das Projekt folgenden leitenden Forschungsfragen:

  • Warum sollte es Alevitischen Religionsunterricht an Schulen geben und welchen Stellenwert hat er im Rahmen des Gesamtcurriculums?
  • Welche Qualifikationen sind für Religionslehrer: innen erforderlich?
  • Welche Vor- und Nachteile gibt es beim digitalen Religionsunterricht?
  • Welche Auswirkungen hat der Religionsunterricht auf die Identitätsbildung von Aleviten: innen und auf ihre Integration in den Ländern, in denen sie leben?
  • Wie wird der Alevitische Religionsunterricht in diesen Ländern unterrichtet?
  • Was sind die Unterschiede und Ähnlichkeiten?
  • Welche Erwartungen haben Lehrer: innen und Alevitische Verbände, die den Alevitischen Religionsunterricht anbieten?
  • Welche Erwartungen haben alevitische Geistliche an den Alevitischen Religionsunterricht?
  • Gibt es Unterschiede in den Er­wartungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz?

Methodisch sollen neben der Durchsicht der bestehenden Lehrpläne und Lehrkräfteausbildung auch ein Online-Gesprächsreihe mit ausgewählten Expert: innen sowie ggf. weiterführende Interviews aus den jeweiligen Länderkontexten durchgeführt werden. Nach dem ersten Untersuchungsschritt soll idealerweise eine internationale Konferenz die bisherigen Ergebnisse zusammenführen und einen wichtigen Anstoß für die geplante digitale Plattform geben.

Durch die gegenseitige Kommunikation der beteiligten Akteur: innen auf einer digitalen Plattform können auch gesellschaftsrelevante Erwartungen hinsichtlich der Integrations- und Identitätspolitik der Alevit:innen in den Ländern, in denen sie leben, gefördert werden. Durch die Einbeziehung entsprechender Expert:innen und digitaler Austauschformen kann dieses Projekt auch zur digitalen Lehre des ARU einen Beitrag leisten.